Weniger Bewerbungen durch gutes Employer Branding
Ja, Sie haben richtig gelesen! Was vielleicht auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, macht auf den zweiten Blick total Sinn: Gutes Employer Branding sorgt für weniger Bewerbungen. Und das ist gut so! Finde ich jedenfalls. Und eventuell stimmen Sie mir am Ende des Artikels zu, falls Sie es jetzt noch nicht tun.
Für viele Personalverantwortliche gehört das Thema Employer Branding / Personalmarketing seit Jahren zu den Top Themen auf ihrer Agenda. Wenn man nach den Beweggründen fragt, kommen häufig Antworten wie „Wir bekommen nicht (mehr) genügend Bewerbungen.“, „Die Resonanz auf unsere Stellenausschreibung ist schlecht,“ oder „Es gibt nicht genügend qualifizierte Fachkräfte“.
Das Dilemma mit dem Fachkräftemangel
Fakt ist: Die demografische Entwicklung in Deutschland ist nicht wegzudiskutieren. Die zunehmende Alterung der Gesellschaft bei gleichzeitig sinkenden Geburtenraten führt in der Konsequenz dazu, dass immer weniger Arbeitskräfte im erwerbsfähigen Alter dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Das ist nichts Neues. Tausend Mal gehört. Dementsprechend logisch scheint es auch, dass viele Unternehmen heute weniger Bewerbungen auf eine freie Stelle bekommen als noch vor zehn Jahren. Das mag erst einmal besorgniserregend erscheinen. Aber ist es das wirklich? In einigen Fällen vielleicht ja, grundsätzlich aber nicht! Im Gegenteil, es hat sogar Vorteile, weniger Bewerbungen zu bekommen. So lange es die „richtigen“ sind.
Warum weniger Bewerbungen besser sind
Es geht nicht um Quantität, sondern um Qualität. Im Grunde reicht Ihnen eine einzige Bewerbung aus: Die des richtigen Kandidaten / der richtigen Kandidatin. Wenn es dann auf beiden Seiten „matcht“, ist das der Recruiting Jackpot. Denn Sie mussten lediglich Zeit und Kosten für eine einzige Bewerbung aufwenden. Natürlich ist dies überspitzt dargestellt. Aber Sie verstehen sicher, worauf ich hinaus möchte.
Schauen wir auf das umgekehrte Beispiel: Nehmen wir an, Sie bekommen 100 Bewerbungen auf eine vakante Stelle. Davon erachten Sie 85 Bewerbungen nach Sichtung als „nicht passend“. Nehmen wir weiter an, für die Sichtung einer Bewerbungsmappe benötigen Sie im Durchschnitt 3 Minuten. In Summe haben Sie also rund 4,5 Stunden Arbeit aufgewendet, um diese 85 „nicht passenden“ Bewerbungen zu sichten. Hinzu kommt noch die Bearbeitungszeit für die Absagen. Bei den restlichen 15 Kandidaten wird sich erst im Laufe des weiteren Bewerbungsprozesses herausstellen, ob und wie gut sie auf die Stelle und ins Unternehmen passen.
Nicht außer Acht zu lassen ist auch der psychologische Effekt, den eine Absage bei einem Bewerber hinterlässt. Egal, wie positiv und wertschätzend Sie die Absage formuliert haben (was in der Praxis nicht immer der Fall ist): Eine Absage hinterlässt immer eine negative Erfahrung. In dem Beispiel oben gleich 85 Mal.
Vor diesem Hintergrund wäre es doch viel effektiver, weniger Bewerbungen zu bekommen. Dafür aber von Anfang an passendere.
Durch Employer Branding zum effizienteren Recruiting
Gutes Employer Branding sorgt für weniger Bewerbungen, dafür aber für passendere. Denn vorab hat schon ein natürlicher Selbstselektionsprozess auf Kandidatenseite stattgefunden. Je mehr Informationen Sie im Vorfeld über die zu besetzende Stelle aber auch über sich als Arbeitgeber preisgegeben (z. B. wie es so ist, bei Ihnen zu arbeiten, welche Erwartungen Sie an Mitarbeiter haben und umgekehrt, was Bewerber von Ihnen als Arbeitgeber und der Stelle erwarten können), desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich nur die Kandidaten bei Ihnen bewerben, die zum einen die Anforderungen an die Stelle erfüllen (wollen) UND gut zu Ihnen und Ihrer Unternehmenskultur passen. Das kann Ihr zeitliches und personelles Investment in den Recruitingprozess enorm reduzieren. Hinzu kommt, dass sich die neuen Mitarbeiter mit großer Wahrscheinlichkeit gut und dauerhaft in Ihr Unternehmen integrieren und sich wohlfühlen, weil sie keine „bösen Überraschungen“ erleben, sobald sie die Stelle antreten.
Hier ein Beispiel aus der Praxis, um dies zu verdeutlichen: Einer meiner Kunden hat während der Corona Pandemie ein New Way of Work Konzept erarbeitet. Dies beinhaltet u. a. die Abschaffung der verpflichtenden Präsenz im Büro für alle Mitarbeiter - auch nach der Pandemie. Folglich wird es auch ein neues Raumkonzept in den Büros geben. Keine festen Schreibtische mehr. Dafür ein offenes Raumkonzept mit „Ruhearbeitsplätzen“, „Kreativzonen“ und speziellen Projekträumen. Klar, dass wir dies in die Arbeitgeberkommunikation einbeziehen. Denn nicht jeder möchte so arbeiten. Es wird Menschen geben, die nach wie vor jeden Tag gerne ins Büro kommen möchten, dort immer am gleichen Schreibtisch und mit den gleichen Kollegen zusammensitzen wollen. Dieser Typ Mensch würde sich in diesem Unternehmen nicht wohlfühlen. Und das ist ok. Genau deshalb ist es aber so wichtig, diese Art der Arbeit im Vorfeld zu kommunizieren. Damit sich diese Menschen gar nicht erst in dem Unternehmen bewerben. Denn damit wäre ja niemandem geholfen.
Den Fokus anders ausrichten
Statt sich also zu fragen, wie Sie mehr Bewerbungen bekommen, sollten Sie Ihren Fokus vielmehr darauf legen, wie Sie die „richtigen“ Bewerbungen bekommen.
Fragen Sie sich: Was macht mich als Arbeitgeber aus und welcher Typ Mitarbeiter passt gut zu mir? Was sollte ein Bewerber vorab über mich als Arbeitgeber unbedingt wissen? Wie und auf welchen Kanälen kann und sollte ich das kommunizieren, um die passenden Mitarbeiter zu finden? Und schon sind sie mittendrin: im Prozess der eigenen Identitätsentwicklung. Und damit im Employer Branding.


